Minister Forto erhöht den Druck auf Brüssel
Anfang September 2025 traf sich der bosnische Minister für Kommunikation und Verkehr, Edin Forto, mit den Botschaftern der EU-Mitgliedsstaaten in Sarajevo. Dort machte er deutlich, dass die Probleme der bosnischen Berufskraftfahrer in der Politik priorisiert und schnellstmöglich behandelt werden müssen.
Forto forderte, die Anliegen der Fahrer als eigenen Tagesordnungspunkt in die nächste Sitzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsausschusses zwischen Bosnien und der EU aufzunehmen. „Wir setzen den Kampf für die vollen europäischen Rechte unserer Fahrer fort“, erklärte er.
Die Vertreter der EU signalisierten zwar Offenheit, betonten aber, dass Lösungen nur im Rahmen der bestehenden Mechanismen gefunden werden können. Gleichzeitig erinnerten sie Bosnien daran, sich stärker auf den europäischen Integrationskurs zu konzentrieren – mit Reformen, Digitalisierung und mehr Konnektivität.
Straßenblockaden bringen das Land zum Stillstand
Parallel zu den Gesprächen in Sarajevo verschärften die Transporteure den Druck auf die Politik. Anfang September organisierte der Transportverband von Bosnien und Herzegowina landesweite Protestaktionen unter dem Motto: „Protestieren, bis die Forderungen erfüllt sind“.
In Städten wie Tuzla, Doboj, Prnjavor, Mostar und Sarajevo kam der Verkehr zeitweise komplett zum Erliegen. Auch wichtige Grenzübergänge – etwa Izacic, Velika Kladusa, Kamensko und Raca – waren blockiert. Entlang der Straßen bildeten parkende Lkws kilometerlange Staus.
Die Demonstranten machten ihren Frust deutlich: Sie klagen über Diskriminierung an den Grenzen, hohe Kosten und die Nichtumsetzung europäischer Abkommen. Im Zentrum steht das AETR-Abkommen, das die Regeln zu Lenk- und Ruhezeiten im internationalen Straßengüterverkehr regelt. Die Fahrer fordern, dass Bosnien und Herzegowina endlich gleichberechtigt in dieses System eingebunden wird.
„Wir kämpfen für die Transportindustrie Bosnien-Herzegowinas, während eine kleine Gruppe von Bürokraten ‚Absurdistan‘ schaffen will. Bosnien-Herzegowina wird gewinnen, und ‚Absurdistan‘ wird verlieren“, sagte Velibor Peulic, Koordinator des Konsortiums, kämpferisch.
Die 90-Tage-Regel: Kern des Konflikts
Eines der größten Probleme ist die sogenannte 90-Tage-Regel im Schengen-Raum. Fahrer aus Bosnien dürfen innerhalb von 180 Tagen nur 90 Tage in der EU arbeiten. Wird diese Frist überschritten, drohen hohe Geldstrafen von mehreren Tausend Euro und sogar Einreiseverbote.
Diese Beschränkung bringt viele Unternehmen in existenzielle Schwierigkeiten. Zahlreiche Speditionen sehen sich gezwungen, ihre Firmen in Nachbarländern wie Kroatien oder Slowenien neu zu registrieren, um weiter am europäischen Markt teilhaben zu können.
Bei den Protesten blockierten Hunderte Lkw die Grenze zwischen Bosnien und Kroatien, etwa am Übergang Velika Kladusa-Maljevac. Während der Personenverkehr weitgehend ungehindert weiterlief, kam der Warenverkehr zum Stillstand.
Der Transportverband fordert daher tiefgreifende Änderungen: eine Neuregelung der Transportvorschriften, Rückerstattung von Verbrauchssteuern, niedrigere Mautgebühren und vor allem schnellere Zoll- und Kontrollverfahren.
Bereits im Frühjahr Massenproteste
Die Krise ist nicht neu. Schon im April 2025 rollten mehr als 500 Lkw durch Sarajevo, die Fahrer hupten im Protestzug gegen die ausbleibende staatliche Unterstützung.
Damals machte der Transportverband, der 600 Unternehmen und rund 47.000 Beschäftigte vertritt, deutlich, dass die Branche am Limit ist. Die Transporteure warnten, dass sie notfalls die Grenzen blockieren würden, wenn die Politik nicht handelt.
„Wir sind keine Terroristen, wir machen unsere Arbeit“, sagte Koordinator Velibor Peulic. Doch ohne Hilfe stünden viele Unternehmen vor dem Aus. Besonders die EU-Aufenthaltsregel zwinge Fahrer und Firmen dazu, ins Ausland auszuweichen. Auch eine Rückerstattung von Dieselsteuern und digitale Zollprozesse wurden damals gefordert, um Kosten und Bürokratie zu reduzieren.
Verkehrsminister Forto versprach eine Arbeitsgruppe, die die Probleme systematisch angehen soll. Doch viele Forderungen blieben bisher ungelöst – weshalb die Proteste im September folgten.
Die Rolle der Verkehrsgemeinschaft
Langfristig könnte die Verkehrsgemeinschaft (Transport Community) eine zentrale Rolle spielen. Diese internationale Organisation mit Sitz in Belgrad integriert die Verkehrssysteme der Westbalkan-Staaten schrittweise in die EU.
Ziel ist es, die EU-Gesetze im Transportbereich zu übernehmen, Infrastrukturprojekte zu fördern und die Region stärker mit Europa zu verbinden. Zwischen 2015 und 2020 stellte die EU dafür rund 2 Milliarden Euro an Zuschüssen und Finanzierungen bereit.
Für Bosnien und Herzegowina bietet die Verkehrsgemeinschaft eine wichtige Plattform, um die strukturellen Probleme im Transportsektor anzugehen – von der Modernisierung der Infrastruktur bis zur Angleichung der Regeln an den europäischen Binnenmarkt.
Fazit
Die Proteste der Lkw-Fahrer sind Ausdruck einer tiefsitzenden Krise: hohe Kosten, fehlende Reformen und Benachteiligungen im EU-Markt bringen die Branche ins Wanken. Minister Forto versucht, die Probleme in Brüssel auf die Agenda zu setzen, doch die EU verweist auf bestehende Verfahren.
Ob Bosniens Fahrer bald gleiche Rechte wie ihre EU-Kollegen haben werden, bleibt offen. Klar ist jedoch: Ohne Lösungen drohen weitere Blockaden – mit Folgen nicht nur für Bosnien, sondern auch für den europäischen Warenverkehr.
Quellen: European Newsroom, Balkan Insight, Xinhua, Wikipedia – Verkehrsgemeinschaft